Reaktionen auf US-Plan zur Ukraine: „Dann nicht mehr unser Bündnispartner“
Die USA und Russland haben ihren 28-Punkte-Plan ohne die Ukraine oder Europa verhandelt. Europäische Politiker reagieren entsetzt.
rtr/afp/dpa | Der von den USA vorgeschlagene 28-Punkte-Plan versetzt Kiew und seinen europäischen Verbündeten in Unruhe. Aus Sicht von Kritikern verlangt er von der Ukraine weitaus größere Zugeständnisse als von Russland. Unter anderem soll die Ukraine Gebiete an Russland abtreten, die sie derzeit erfolgreich verteidigt, ihre Armee verkleinern und auf einen Nato-Beitritt verzichten. Im Gegenzug soll sich Moskau verpflichten, künftig von weiteren Angriffen auf das Nachbarland abzusehen.
Der frühere Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hat vor Folgen des Ukraine-Plans der USA für ganz Europa gewarnt. Die Europäer müssten alles daransetzen, die USA doch noch zu einer Änderung „dieses Diktatfriedens zu bewegen“, sagte Gabriel dem Tagesspiegel. „Der Ukraine und Europa droht sonst ein zweites Versailles und der Verlust seiner inneren und äußeren Stabilität.“
Der Versailler Vertrag beendete formal den Ersten Weltkrieg und legte Deutschland umfangreiche Reparationsleistungen und Gebietsabtretungen auf. Eine dauerhafte Befriedigung wurde damit nicht erreicht.
„Der Plan kommt einem Verrat an allem gleich, was bislang unser transatlantisches Verhältnis ausgemacht hat“, sagte Gabriel, der auch Vorsitzender der Atlantik-Brücke ist, weiter.
Sollte der sogenannte 28-Punkte-Plan Realität werden, dürfe sich „niemand mehr Illusionen über das Verhältnis der USA zu Europa“ machen. „Die Vereinigten Staaten sind dann nicht mehr unser Bündnispartner, sondern verbünden sich mit Europas ärgstem Feind“, sagte der frühere SPD-Vorsitzende. „Dann können und dürfen wir uns nicht mehr auf den Beistand der USA im Falle einer russischen Aggression verlassen.“
Europäische Nato
Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber (CSU), forderte substanzielle Änderungen an dem US-Plan für die Ukraine. „Es sind historische Stunden. Es geht nicht um die Ukraine, es geht um die Sicherheit von uns allen“, sagte Weber der Bild am Sonntag.
Es gehe um drei Fragen: Erstens müsse die Ukraine „souverän entscheiden, ob sie Gebiete abgeben kann, das darf nicht aufgezwungen werden“, sagte Weber. Zweitens müsse das Land militärisch gestärkt und nicht geschwächt werden. „Und drittens müssen wir die EU zu einer europäischen Nato ausbauen. Auf die USA können wir uns nicht mehr uneingeschränkt verlassen.“
Die Grünen-Vorsitzende Franziska Brantner warnte vor zu weitreichenden Zugeständnissen an Russland bei den Bemühungen um ein Ende des Angriffskrieges gegen die Ukraine. Der derzeit diskutierte Vorschlag aus Washington sei „kein Friedensplan, das ist ein von Putin diktierter Unterwerfungsplan“, sagte Brantner der DPA. Wer glaube, ein solcher könne zu Frieden führen, „verkenne die Realität“.
Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter sagte den Funke-Zeitungen, der Plan sei „nicht nur eine Gefahr für die Existenz der Ukraine, sondern für die EU insgesamt“. Zugleich offenbare er die Schwäche von US-Präsident Donald Trump und Russlands Staatschef Wladimir Putin. „Trump will von seinen schlechten Umfragen und den Epstein-Akten ablenken. Putin kämpft mit einer größeren wirtschaftlichen Krise, als wir bisher wahrgenommen haben.“
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann forderte eine geschlossene europäische Unterstützung der Ukraine. „Europa muss unmissverständlich klarmachen, dass nichts über den Kopf der Ukraine hinweg entschieden wird“, sagte sie AFP. Dabei dürften Merz und seine europäischen Partner den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in den anstehenden Gesprächen mit Trump „nicht allein lassen“.
Vorgespräche mit „viel Schwung“
US-Außenminister Marco Rubio und der US-Sondergesandte Steve Witkoff sind zu Gesprächen über einen Friedensplan für die Ukraine in Genf eingetroffen. Die eigentlichen Gespräche hätten noch nicht begonnen, am Vormittag fänden zunächst mehrere Koordinierungstreffen statt, sagt ein US-Regierungsvertreter. Die Vorgespräche mit den Ukrainern seien positiv und konstruktiv verlaufen. Man gehe mit „viel Schwung“ in die Verhandlungen.
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